Leben mit Büchern

Kategorie: Szene (Seite 1 von 2)

Geschichte eines Dorfes — Literatur aus Schweden

Der Allee Verlag wurde 2024 als unabhängiger Literaturverlag gegründet, um Literaturen aus europäischen Sprachen, die in Deutschland unterrepräsentiert sind, hierzulande eine Stimme zu geben. Eine von zwei Neuerscheinungen des Herbstes 2025 ist der Roman Dein Wille wohnt in den Wäldern des schwedischen Autors Mattias Timander.

Ein junger Mann, der oberhalb eines kleinen Dorfs im nördlichen Schweden lebt, erzählt den Lesern von seiner Suche nach Herkunft und Zugehörigkeit fast als würde man mit ihm am Kaffeetisch oder auf der Bank vor seiner Holzhütte sitzen.
Dabei lässt er seinen Gedanken freien Lauf.
Nach und nach befragt er die älteren Bewohner, die er während seines Tagesablaufs zwischen Einkauf oder Holzmachen trifft, nach der Geschichte des Dorfs. Diese heißen sein Interesse zwar gut, bleiben in ihren Antworten jedoch oft knapp und vage, weichen aus oder schweigen.
Und das Wenige, das er erfährt, wirft nur weitere Fragen auf.
Auch deshalb entdeckt er zunehmend die Literatur für sich. Fast fühlt er sich wie ein Bohemien. Allein, dass er überhaupt liest, lässt ihn für andere schon als ein solcher erscheinen.
Doch seine Bücher sind für ihn vor allem ein Rückzugsort.

Genau wie der Wald wurde das Buch zu einer Zuflucht. In den Wald gehen. Ins Buch.“

Das Lesen hilft jedoch nicht immer gegen den Druck der Natur, die Schwere des Schnees und die dauerhafte Dunkelheit.

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In Real Life

Kürzlich war ich in Leer unterwegs. In Real Life, also im echten Leben. Nicht in irgendeiner Karten-Maps-Virtual-Reality-Brillen-App. Ich habe mich dort wirklich sehr willkommen gefühlt, sodass ich mir in einer lokalen Buchhandlung die auf dem Beitragsfoto abgebildete Postkarte als Lesezeichen aussuchte. Aber was wäre ein Lesezeichen schon ohne Buch? Zur rechten Zeit am rechten Ort — eben in besagter Buchhandlung — war leicht ein passendes gefunden. Auf Norderney spielten zwar gleich mehrere Krimis, doch auch in Leer schläft das Verbrechen offenbar nicht.

Im Kriminalroman Tödlicher Vierer von Peter Gerdes wird auf einem ostfriesischen Mittelaltermarkt ein Mann ermordet. Da das Opfer in Oldenburg gemeldet ist, bittet die Kripo Leer die Oldenburger Kollegen um Amtshilfe. Bei den Ermittlungen trifft Hauptkommissar Stahnke auf alte Bekannte aus seiner Vergangenheit, allesamt ehemalige Mitstreiter aus dem Titel gebenden Rudervierer. Wie sehr sind sie in diesen Fall von organisierter Kriminalität und Korruption verstrickt? Die Spuren führen bis in die Niederlande und die Gegner sind so mächtig, dass Stahnke suspendiert wird und untertauchen muss.

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Gutkind – Neuer Verlag mit ausgezeichneter Autorin

Haben sich Büchermenschen im letzten halben Jahr nicht völlig dem Literaturbetrieb entzogen, ist ihnen der Name Gutkind doch sehr wahrscheinlich begegnet.
Dabei handelt es sich um einen neuen Verlag aus der Mediengruppe Bonnier, zu der auch die großen Verlage Piper, Carlsen oder Ullstein gehören. Letzterer hat zudem den Vertrieb der neuen Unternehmenstochter übernommen, was die Aufmerksamkeit des Fachpublikums auf die Verlagsgründung weiter erhöht haben dürfte.
Aber auch bekannte Namen wie Keanu Reeves oder Sabin Tambrea schmücken das erste Programm aus dem Herbst 2024.
Der Name des neuen Verlags geht übrigens auf den 1778 in Dresden geborenen und nach Kopenhagen ausgewanderten Verlagsbuchhändler Gutkind Hirschel zurück. Dessen Sohn Albert Bonnier siedelte nach Schweden um, gründete dort ebenfalls einen Verlag und ist Namensgeber des heutigen Mutterkonzerns.

Mit dem Roman Das letzte Leuchten im Winter findet sich auch ein Buch von der Shortlist des National Book Award 2023 im ersten Programm des neuen Verlags.
Eigene Erfahrungen mit der laestadianischen Glaubensbewegung sowie intensive Recherchen über die Sámi bewogen die US-amerikanische Autorin und Tochter finnischer Eltern Hanna Pylväinen zu dieser Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht.

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Fernab von Bollywood

Mord ist der treffend kurze und mich dadurch direkt ansprechende Titel des Kriminalromans der indischen Autorin Anjali Deshpande.
Ich entdeckte ihn auf dem Büchertisch zum ersten Kasseler Krimisalon, der in Kooperation mit dem Literaturhaus Kassel im sanierten Palais Bellevue stattfand. Wenngleich an diesem Abend nicht aus dem Roman gelesen wurde, ließen mich die Covergestaltung mit dem erwähnten Titel, der Klappentext und die Sprache der ersten Seite das Buch mit nach Hause nehmen.

Am Tag nach Holi, dem indischen Fest der Farben, wird auf dem Landgut des reichen Geschäftsmannes J. J. Bindal vor den Toren Neu Delhis eine junge Frau mit einer sehr großen Schnittwunde im Unterleib aufgefunden. Da es sich bei der Toten wahrscheinlich um eine Prostituierte handelt und die Dorfbewohner ohnehin nicht mit der Polizei reden, wird in diesem Fall nicht gerade mit Hochdruck ermittelt. Nur der vom Dienst suspendierte Adhirath nutzt instinktiv seine überschüssige Zeit und forscht bei den Beteiligten weiter nach.
Dabei belasten Adhiraths Suspendierung und die wegen eines Dienstvergehens anstehende Anhörung seine Familie schon bis aufs Äußerste.

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Entscheidung für die Provinz

Hundert Jahre Franz Radziwill in Dangast

 

Nach Jahren des pandemiebedingten Ausfalls, ist die Literaturszene im Frühling 2023, für den Zeitraum von vier Tagen, wieder in der Großstadt Leipzig zusammengekommen. Kulturfreunde und Buchhändlerinnen sorgen nun wieder dafür, dass Gespräche über Literatur und die Bücher selbst, in all ihrer Form und Schönheit, während des verbleibenden Rests des Jahres einen Weg zu den Menschen, auch fernab der Großstadt, finden.

Der Maler Franz Radziwill stellte sich vor hundert Jahren wohl eher die Frage, wie seine Kunst weiterhin in die Galerien und Ausstellungen der Großstädte gelangen kann, nachdem er beschloss, sich in dem Fischerdorf Dangast am Jadebusen niederzulassen.
Schließlich hatte er durch gute Kontakte und einflussreiche Förderer bereits Erfolge in Hamburg und Berlin. Karl Schmidt-Rottluff empfahl dem jungen Radziwill, im Sommer 1920 nach Dangast zu fahren, diente es den Brücke-Malern doch schon von 1907 an als Künstlerort der Inspiration.
Franz Radziwill fühlte sich dort so wohl, dass er 1923 ein Fischerhaus kaufte, in dem er bis zu seinem Tod 1983 lebte, und das heute als „gemauerte Künstlerbiographie“ besucht werden kann.

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Mundwinkel hoch mit Valerio

Dieser Pandemie können wir uns nicht entziehen und sie ist für uns alle eine anstrengende, entbehrungsreiche und unsichere Zeit.
Die Zeit, die wir in Um- und Neu-Organisation des Lebens investieren, fehlt dem Freundeskreis, um sich über Gelesenes auszutauschen oder gar hier auf vitaLibris darüber zu schreiben.
Zum Glück findet sich aber immer noch Zeit zu lesen, wie zum Beispiel den anregenden Artikel von Tobias Lehmkuhl über die Verleihung des Georg-Büchner-Preises an die Dichterin Elke Erb, vom zweiten November 2020, in der Süddeutschen Zeitung.
Am Ende bezieht er sich auf Erbs Dankesrede, in der sie den „Sprachtanz Büchners“ erwähnte und ausschließlich aus seinem Lustspiel Leonce und Lena rezitierte.
Und so ermunterte der Beitrag, (nochmal) zum Lustspiel zu greifen, kann man Aufheiterung momentan doch dringend brauchen.

Ach, da traf ich sie wieder: den Prinzen Leonce vom Reiche Popo, Prinzessin Lena vom Reiche Pipi und meinen speziellen Freund Valerio, an dessen Wortwitz ich geradezu einen Narren gefressen habe.

Mit meist feiner Ironie und manch satirischer Schärfe entzaubert Georg Büchner den romantisierten Sehnsuchtsort Italien und hält den Herrschenden den Spiegel vor die Nase.

Eine wahrlich gelungene Aufheiterung in außergewöhnlichen Zeiten.

Leonce und Lena war das letzte Stück, das Büchner vor seinem Tod am 19. Februar 1837 vollenden konnte. Er starb nur dreiundzwanzigjährig in Zürich an den Folgen einer Typhuserkrankung, „Woyzeck ist Fragment geblieben“. [1]

In der heutigen Form eines allgemeinen Literaturpreises wird der Georg-Büchner-Preis seit 1951 vergeben und gilt als der bedeutendste für Schriftsteller*innen, „die in deutscher Sprache schreiben“. [2]

Für gewöhnlich lasse ich mich nicht von Preisen und Auszeichnungen beeindrucken — diese Leseerfahrung ließ mich allerdings interessiert wieder- und weiterlesen.

Auf dem Wunschzettel stehen jetzt auch Gedichte und Texte von Elke Erb.

 

 

[1] Hamburger Lesehefte, 148. Heft, S. 58

[2] https://www.deutscheakademie.de/de/auszeichnungen/georg-buechner-preis

HERKUNFT — Heimat — Horizonte

Die Literaturszene ist vielfältig — vom Global Player bis zum Selbstverlag einzelner Autoren, von der Buchhandelskette bis zum Inhaber geführten Buchladen.
Vom bekannten Literaturkritiker über leidenschaftliche Lokalredakteure bis zum Hobby-Buchblogger und natürlich den unterschiedlichsten Lesern.

Dazu bereichern lokale Lesekreise oder Kulturvereine die Literaturszene.
Um diese zu unterstützen initiierte das Literarischen Colloquium Berlin das Projekt Seitab liegt die Stadt — für das Jahr 2020 mit dem Thema Herkunft —, an dem sich die Begegnungsstätte Kaufungen beteiligt.

Eine konkrete, geografische wie sozio-kulturelle Herkunft haben wir alle, und in Deutschland hat inzwischen „jeder Vierte eine familiäre Einwanderungsgeschichte“[1].

Manche fühlen sich auf ihre Herkunft reduziert, andere schämen sich ihrer oder verleugnen sie sogar. Wieder andere ziehen Kraft aus den Lebenserfahrungen, die sie durch ihre Herkunft machen durften oder gehen zumindest selbstbewusst mit der eigenen Herkunft um.

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Peter Bursch’s Gitarrenbuch und der Voggenreiter Verlag

Die Frage, was denn ein gutes Buch ausmache, wird oftmals an einer hochwertigen Ausstattung, wie Leinen- oder Ledereinband, Prägedruck, Schnittverzierung oder auch der aufschlagfreudigen Fadenheftung festgemacht.
Peter Bursch’s Gitarrenbuch kann all dies nicht aufweisen, zudem enthält der Titel das manchmal auch mit Bedacht gesetzte Apostroph dort, wo es eigentlich nicht hingehört.
Dennoch ist Burschs Gitarrenbuch eine Erfolgsgeschichte des Voggenreiter Verlags, und die Macher haben das Apostroph […] bewusst beibehalten. Wir hatten uns so daran gewöhnt und wollten deswegen nicht darauf verzichten.“[1]

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Zeig mir die Welt — Texte aus alten Schulbüchern

Helge Tismer ist pensionierter Volksschullehrer und trat seine erste Stelle in den frühen 1960er Jahren an.

Die Ausstellung „Als es noch kein Smartphone gab … Kommunikation, Information und Bildung im Dorf“ hatten wir bereits besucht. Während es dort natürlich auch technische Errungenschaften oder Gesellschaftsspiele zu sehen gibt, beschreiben vor allem Papiermaterialien dieses Zeitalter und das Lesebuch ist zentrales Thema der Alltagssammlung des Regionalmuseums Kaufungen.
Nun las Helge Tismer anlässlich der Kasseler Museumsnacht im historischen Klassenraum unter dem Motto „Zeig mir die Welt“ aus alten Schulbüchern.

Ich erhoffte mir, dass die „Kritische Lesung“ aus alten Schulbüchern interessant werden könnte, weil Hildegard Hamm-Brücher bereits in ihrem Buch Und dennoch … auf völlig antiquierte Schulbuchtexte hinwies. Als betroffene Mutter nennt sie dort Beispiele aus den Schulbüchern ihrer Kinder aus den 1960er-Jahren, die vom „Landleben als allein seligmachende Lebensform“ berichten oder von Aufgaben, die die Schüler den „Zug der Toten“ anhand der „verlorenen Soldaten im Ersten Weltkrieg“ berechnen lassen sollten.

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Fräulein Nette in Melsungen

Nein, in Melsungen war die Dichterin und Komponistin Annette von Droste-Hülshoff nicht. Zumindest nicht in dem Roman Fräulein Nettes kurzer Sommer. Stattdessen folgte die Autorin Karen Duve gerne der Einladung der Culturinitiative Melsungen in die malerische Fachwerkstadt.

Im 40. Literatur-Gespräch der Culturinitiative wurde das Buch besprochen und offenbar für so interessant befunden, dass die Organisatoren um Oliver Engl und Michael Geise die Lesung in der Brückenbuchhandlung ausrichteten.
Die Veranstaltung war ausverkauft und im Publikum saßen nach Karen Duves eigenen Erfahrungen überraschend viele Männer.

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