Smudo kocht seinen Spargel in der Spülmaschine (diverse Medien am 17.04.2018), Mathias Opdenhövel ist mit der früheren Background-Tänzerin von Dschingis Khan verheiratet und Slalomläufer Dominik Stehle züchtet Brieftauben (Link zum DSV, zuletzt abgerufen am 10.02.19).
Dies sind für viele Leser*innen sicherlich unwichtige Nachrichten. Obendrein sind sie vor allem falsch.
Die Aufklärung darüber in Inas Nacht vom 22.07.18, (ca. ab 14. Min. Smudo) und vom 21.10.18 (ca. ab 5. Min. Opdenhövel), ist allerdings erfrischend und aufschlussreich. Wurden diese Fake-News doch von Quellen verbreitet, denen Journalisten und Leser hinsichtlich der Richtigkeit der Nachrichten vertrauen: dpa und Munzinger.
Das ZDF reagierte via Facebook und Twitter am 13.01.19 auf den Brieftauben-Scherz des Sportlers auf der Internetseite des DSV. Diese wurde jedoch bis zur Veröffentlichung dieses Beitrags am 10.02.2019 nicht aktualisiert.

Dass mit Fake-News nicht zu Scherzen ist und inwiefern „die Digitalisierung unsere Demokratie gefährdet“, zeigt uns der Medienwissenschaftler und Journalist Stephan Russ-Mohl in seinem Buch über unsere informierte Gesellschaft.

Hemingway soll gesagt haben, wer eine Botschaft hat, soll aufs Telegraphenamt gehen. Dies habe ich nicht überprüft, sagte aber unlängst Denis Scheck im Literarischen Quartett  (12.10.18, 20. Min.).
Im Zuge der Digitalisierung ist auch das Telegramm zur schnellen Informationsübertragung verschwunden. An seine Stelle sind beispielsweise Twitter und Facebook getreten. Da diese Medien auf den ersten Blick nichts kosten, werden sie auch gerne für nicht dringende Nachrichten und für Botschaften genutzt und missbraucht.

In seinem Buch Die informierte Gesellschaft und ihre Feinde beschreibt Stefan Russ-Mohl, dass Fake-News schon früher von Geheimdiensten und manchem Journalisten zur bewussten Irreführung der Öffentlichkeit und zur politischen Einflussnahme verbreitet wurden. So bereitete z.B. der „britische Außenminister [2016-2018] Boris Johnson bereits als Brüsseler Korrespondent des „Telegraph“ von 1989 bis 1994 durch Euroskeptizismus und das Erfinden von Halbwahrheiten“ den angestrebten Brexit vor.
Ein über „Jahrzehnte gewachsener Vertrauensverlust“ in die etablierten Medien ist die Folge. Das Publikum glaubt eher seinen Freunden und Plattformen, die die eigene Meinung bestätigen.

Mit der Digitalisierung aller Lebensbereiche ist das Internet vom Hoffnungsträger der Demokratisierung zur Nachrichtenschleuder für Populisten geworden, verdrängt PR erkennbare und bezahlte Werbung und lässt unsere Daten zur bedeutendsten Währung der IT-Giganten werden.
Hinzu kommt bei uns Kunden eine dadurch beförderte Gratis-Mentalität, die ganze Branchen ökonomisch einbrechen lässt. Die nötigen Sparmaßnahmen sorgen für eine Spiralwirkung: Medienkonzentration ist die Folge, Redaktionen werden geschlossen, Journalisten müssen immer schneller für weniger Geld Nachrichten liefern, steigende Fehlerzahlen werden kaum korrigiert, der Vertrauensverlust in die klassischen Medien sowie der Zulauf zu den sozialen Medien nehmen zu, Manipulation und Desinformation werden Tür und Tor geöffnet.

Dies hier in der Kürze zugespitzt formulierte, stellt Russ-Mohl auf wissenschaftlich fundierte Füße und bietet einen gut strukturierten und umfassenden Überblick über die Entwicklung und Arbeit manipulativer und investigativer Plattformen, alter und neuer Medien sowie von Verlagen und Journalisten.
Er hat die Ergebnisse und Herausforderungen der Kommunikations- und Medienforschung zusammengetragen und versucht – wenn auch mit wenig Hoffnung – einen Ausblick auf eine „Allianz für die Aufklärung“.

Und obwohl uns bisher schon mancher Datenmissbrauch oder diese oder jene erfundene Reportage häppchenweise und medienwirksam aufbereitet wurde, liest sich Russ-Mohls Buch sehr spannend, weil immer wieder deutlich wird, worin die Gefahren der Digitalisierung für unsere Demokratie liegen.
Deshalb ist es auch für alle interessant, die sich als User, Wähler, Kunde usw. im Netz bewegen – also für jedermann und jedefrau.

Zudem machen Literaturhinweise im Text Lust darauf, weiter zu lesen: ob Klassiker der Dystopie, Kriminalroman oder Sachbuch.

Stephan Russ-Mohl: Die informierte Gesellschaft und ihre Feinde, Warum die Digitalisierung unsere Demokratie gefährdet, Herbert von Halem Verlag 2017,
ISBN der gebundenen Ausgabe
978-3-86962-274-3,
der ePub-Ausgabe
978-3-86962-275-0

PS: Ab und an die Lektüre um den Wirtschaftsteil der Zeitung zu erweitern, kann hilfreich sein, um größere Zusammenhänge zu erfassen. So schreibt Kathrin Werner zu dem Wechsel des Facebook-Kritikers Nate Cardozo zu dem Internetkonzern, dass Cardozo z.B. die Datenausgabe von Facebook an die NSA nun von innen bekämpfen kann (Süddeutsche Zeitung v. 31.01.2019).
Für mich sieht es nach Kontrolle durch Integration aus; Facebook hat dadurch seinen Kritiker im Blick und poliert gleichzeitig seine Außenwirkung auf.

Dies ist auch ein Beispiel dafür, wie unterschiedlich Menschen eine Nachricht lesen, um ihre eigene Meinung zu bestätigen und kognitive Dissonanz zu vermeiden. Solche selektive Wahrnehmung gab es auch schon vor der Digitalisierung, nun werden die Informationen, die mich erreichen, aber mehr denn je direkt auf mich zugeschnittenen.

Es schadet nichts, dies wenigstens zu wissen.