Leben mit Büchern

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Entschleunigen im Kreis der Freunde

Seit Kindheitstagen sind die von ihren Eltern sehr behütete Benny Hogan und Eve Malone, ein Waisenmädchen aus dem Kloster in Knockglen, einem kleinen irischen Dorf, enge Freundinnen.
1957 beginnen beide ein Studium am University College in Dublin. Bei einem Verkehrsunfall am ersten Studientag treffen sie auf die selbstsichere Nan Mahon und den Arztsohn Jack Foley, der es versteht, einen Freundeskreis um sich zu scharen, zu dem nun auch Benny und Eve gehören. Im Laufe der Zeit kommt es zu einigen Belastungsproben innerhalb der Clique, doch die jungen Frauen vergessen nicht ihre Herkunft und können sich aufeinander verlassen.

Im Kreis der Freunde ist ein Roman der irischen Schriftstellerin Meave Binchy, die, wie ihre Protagonistinnen Benny und Eve, in einem Dorf in der Nähe von Dublin aufwuchs und ebenso am University College studierte.
Die sicherlich auch selbst erfahrenen Spannungen zwischen dörflichem Alltag und städtischem Universitätsleben, mit all den religiösen und familiären Zwängen und gesellschaftlichen Veränderungen im Irland Ende der 50er Jahre, beschreibt sie mit ruhigem Ton.
Menschlich zugewandt und wohltuend unaufgeregt erzählt Maeve Binchy dabei von den komplizierten und schönen Dingen zwischen Geburt und Tod.

Beim Lesen des Romans Im Kreis der Freunde habe ich mich gerne treiben lassen, weil die Zumutungen der Gegenwart darüber verblassten.
Deshalb geht auch ein besonderer Dank an meine Godel, die mir vor Jahren die Bücher von Maeve Binchy empfohlen hat.

Maeve Binchy: Im Kreis der Freunde, aus dem Englischen von Christine Strüh und Robert Weiß, Kollektiv Druck-Reif, Droemer Knaur 1995, 1998

ISBN der E-Book Ausgabe (2012 epub)
978-3-426-41744-7

Lächeln und Zuhören

Vor fünfzig Jahren übersetzte die Schriftstellerin Eva Demski mit dem Buch „Anarchismus – Begriff und Praxis“ von Daniel Guérin einen Klassiker zum Thema. Seitdem schaute sie viel bewusster auf anarchistische Lebensformen und dahinterstehende Ideen.

Nun ist sie mit Neugier und Freude auf die Suche gegangen, um den „Zauber einer unideologischen Denkweise wiederzuentdecken“ und auch anarchistischen Ideen der Gegenwart nachzuspüren. Dafür hat sie ein Album angelegt, in dem sich bekannte und weniger bekannte oder gar vergessene Menschen finden, die verschiedene „Denkelemente des Libertären“ in ihrem Leben, oder auch für Andere, ermöglichen wollten. Davon grenzt sie den Anarchismus als Doktrin ab und berichtet auch von „Irrwegen“, die etwa mit Gewalt beschritten wurden.
Demski unterscheidet den Anarchisten vom Anarchen, zu denen sie beispielsweise Marcel Reich-Ranicki oder Udo Lindenberg zählt und von denen sie unterhaltsam erzählt. Das macht sie wunderbar subjektiv – schließlich ist es ihr Album. Sie lässt ihre Gedanken aber nicht unbegründet und schaut voller Respekt auf die Leben der von ihr vorgestellten Menschen.

Mit Fotos, die Spuren des Anarchismus im Stadtbild zeigen, werden die Geschichten um Banksy und Co ergänzt. So, wie es sich für ein Album gehört.

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Mensch Kalmann, war das spannend!

Wer nach dem letzten Beitrag über deutsche Immigrantinnen in Island mehr Lust auf Geschichten von der Vulkaninsel im hohen Norden bekommen hat, sollte sich von Kalmann die besondere Geschichte über den Vermisstenfall des „Königs von Raufarhöfn“ erzählen lassen.

Diese Geschichte ist vor allem deshalb besonders, weil Kalmann selbst besonders ist. In Raufarhöfn gilt er daher für einige als der Dorfdepp. Seit sein Großvater, mit dem er in dessen Haus bisher zusammengewohnt hat und der immer einen Rat wusste, mehr als hundert Kilometer entfernt von Raufarhöfn im Pflegeheim lebt, fühlt er sich oft allein. Als er im Schnee eine Blutlache entdeckt und das ganze Dorf, Polizei und Suchtrupps, ja, irgendwann gefühlt ganz Island von ihm wissen will, ob das Blut mit dem Verschwinden von Róbert McKenzie zu tun hat, wird ihm das schon mal zu viel.

Kalmann ist natürlich nicht der Dorfdepp. Irgendwie erscheint er der Leserin eher wie der Narr am Hofe Raufarhöfns. Mit seiner fast kindlich naiven Art deckt er so einige Machenschaften und Zusammenhänge in der Dorfgesellschaft auf. Und so ist Kalmanns Geschichte immer ein wenig tragikomisch und am Ende richtig spannend.

Autor Joachim B. Schmidt weiß, wovon er schreibt.
Seit 2007 lebt der gebürtige Schweizer in Island. Er absolvierte dort eine Ausbildung zum Reiseleiter, die ihn tief in die Geschichte und die Natur Islands führte. Als interessierter Journalist lernte er auch die Lebensbedingungen und das Lebensgefühl der Menschen am Rande des nördlichen Polarkreises kennen, fern der Hauptstadt, abhängig von Fangquoten und Tourismus.

 

Joachim B. Schmidt: Kalmann, Diogenes 2020,
ISBN der Leinenausgabe
978-3-257-07138-2
ISBN des Taschenbuchs
978-3-257-24644-5
ISBN der E-Book Ausgabe (epub)
978-3-257-61136-6

Auf der Suche nach Wahrheit

2013 drückte mir die Kollegin Hanne das Buch Wer das Schweigen bricht von Mechtild Borrmann in die Hand und verwies auch gleich auf deren Nachfolgeroman Der Geiger. Jetzt musste ich aber erst in der Bücherei auf Trümmerkind stoßen, es gleich mitnehmen und war beim Lesen wieder so von Borrmanns klarer Sprache beeindruckt, dass ich nun endlich auch auf die Suche nach der Geige des Ilja Wassiljewitsch Grenko ging.

1948 wird Ilja Grenko unmittelbar nach einem erfolgreichen Konzert in Moskau unter dem Vorwurf der geplanten Landesflucht verhaftet und direkt zur berüchtigten Lubjanka gebracht. Ein Irrtum, hofft er – jedoch vergebens. Seine Geige, eine seit Generationen in Familienbesitz befindliche Stradivari, wird ihm abgenommen. Ilja wird ins Arbeitslager Workuta deportiert, während sowohl in der öffentlichen Propaganda als auch seiner Frau Galina erklärt wird, er habe sich ins Ausland abgesetzt. Für Galina und die beiden kleinen Söhne Pawel und Ossip bedeutet dies die Verbannung nach Karaganda ins ferne Kasachstan. Weiterlesen

Urlaub mit Mord

Seinen Urlaub auf einem Campingplatz zu verbringen ist bekanntlich nicht jedermanns Sache. So auch nicht die des Polizeiobermeisters Richard Staudinger. Von seiner Chefin, Kommissarin Paula Frischkes, und der Schwester gedrängt, verschlägt es den Franken dann doch mit seinem alten Zelt auf den Platz ins idyllische Oberbürzl nahe Regensburg.
Nun hat er sich noch nicht mal richtig mit den Gepflogenheiten beim Spülen, Duschen oder Angeln vertraut gemacht, da findet sich in dem den Campingplatz angrenzenden Wald — genauer, im sogenannten Spukhäusl — ein Toter.
Auch um die eigene Sicherheit bedacht, beginnt Staudinger der Sache nachzugehen und erfährt schaurige Geschichten aus der Vergangenheit.

Camping mit Mord ist ein humorvoller Regiokrimi, bei dem das Feuilleton der Zeitung, hübsch gefaltet, schon mal als Sonnenhut dient. Ab und an wird es sogar spannend in der Oberpfalz.
Als Leser — sollte man dem Camping auch nicht so zugeneigt sein — kann man Staudingers kurzweiligen Urlaub ohne Gefahren, im Trocknen und vor Insekten geschützt, durchaus genießen.
Vor allem dann, wenn seine Schwester, die doch etwas anstrengend daherkommt, ihn in Ruhe lässt.

2015 erschien von Martina Tischlinger mit Kloß mit Soß der erste Band um die Kommissarin Paula Frischkes. Ob bloß abgekupfert oder als Hommage gedacht, erinnert die Konstellation der in die Provinz versetzten Großstädterin jedenfalls sehr an die Fernsehserie „Mord mit Aussicht“.

Martina Tischlinger: Camping mit Mord, Emons Verlag 2020,
ISBN der kartonierten Ausgabe 978-3-7408-0825-9,
ISBN der E-Book Ausgabe (epub) 978-3-96041-629-6

Auf Andreas Föhr ist Verlass

Ach ja, kaum sah ich, dass mit Unterm Schinder der neunte Band der Regio-Krimi-Reihe um Kommissar Wallner und den sehr kreativ arbeitenden Polizeiobermeister Leo Kreuthner aus dem bayerischen Miesbach erschienen ist, da war er auch schon gelesen.

In dem jüngsten Kriminalroman von Andreas Föhr werden Kreuthner und seine neue Kollegin Lisa auf einem abgelegenen Hof in eine eigentlich von ihm — um bei ihr Eindruck zu schinden — inszenierte, dann aber überraschend doch mit scharfer Munition geführte Schießerei verwickelt.
Danach entdecken sie im Haus auch noch eine Tote: Carmen Skriba. Vor zwei Jahren wurde bereits deren Mann erschossen und Wallner hat für diese Tat eine gewisse Jennifer Wächtersbach hinter Gitter gebracht.
Die Motive für die Morde liegen jedoch weit mehr als zwei Jahre zurück. Im Prolog und in Rückblicken erhalten die Leser einen kleinen Vorsprung bei den Ermittlungen, die bis in die Münchner Halb- und Unterwelt, zu Autohändlern und Kredithaien führen.

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„Der ehemalige Sohn“ — Realität zwischen Absurdität, Tristesse und Tragik

Ist es tatsächlich wieder so still geworden in Minsk, wie es die Abendnachrichten erscheinen lassen? Ist diese Stadt tatsächlich wieder ins Koma geschlagen und getreten worden wie Der ehemalige Sohn in Sasha Filipenkos gleichnamigen Roman?

Filipenko erzählt von Franzisk, einem Fußball liebenden Cellospieler auf dem Musik-Lyzeum in Minsk, der bei einer Massenpanik im Vorfeld eines Rockkonzerts in einer U-Bahn-Unterführung zwar knapp mit dem Leben davonkommt, danach jedoch viele Jahre im Koma liegt. Nachdem der ihn behandelnde Arzt diesen Zustand nicht Leben nennen will und ihn als bloßes „Gemüse“ bezeichnet, ja, ihn eigentlich für tot erklärt, wendet sich sogar die Mutter ab. Allein seine Großmutter versucht alles, damit ihr geliebter Enkelsohn aufwacht.

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Weites Land, wertvolle Bibliotheken

Ganz ehrlich? Ein Buch mit dem Titel Die Bücherfrauen lasse ich eher links liegen. Dann fragte ich mich aber, ob denn das Netzwerk Bücherfrauen mit dem Roman zu tun hat und schaute mir erst einmal die Kurzbeschreibung sowie den Originaltitel an. Beides klang dann doch interessanter als der deutsche Titel.

In der amerikanischen Originalausgabe erschien das Debüt von Romalyn Tilghman unter dem Titel „To The Stars Through Difficulties“. Dies ist das Motto des US-Bundesstaates Kansas und gilt gewissermaßen auch für die Charaktere des Romans, die in der dortigen Kleinstadt New Hope aufeinandertreffen.

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Ein Argentinier in Oxford

„Haben Sie schon einmal von der Lewis-Carroll-Bruderschaft gehört?“

Nein? Das ist nicht weiter von Belang, denn auch dem namenlosen Ich-Erzähler, einem argentinischen Mathematikstudenten an der Universität Oxford, ist diese Bruderschaft nicht bekannt, als er 1994 in den Fall Alice im Wunderland gezogen wird.
Zudem handelt es sich bei diesem literarischen Kriminalroman um reine Fiktion, wie der Autor Guillermo Martínez in seinem Nachwort erklärt.
Fein gesponnen hat er diese Geschichte allerdings über die Forschungen nach den verschwundenen Tagebüchern und Tagebuchseiten Lewis Carrolls (1832 – 1898) und dessen Leidenschaft für die seinerzeit neue Kunstform der Fotografie sowie seiner Vorliebe besonders junger Mädchen als Modelle.

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Abgeblasen

Dieser Tage werden viele Kulturveranstaltungen, wegen eines Virus das weltweit ausgeatmet wird, abgeblasen. Das kostet Zeit, Nerven und viele Kulturschaffende Geld.
Mich persönlich stimmt es vor allem traurig, weil mir ein Stück Lebensqualität fehlt.

Abgeblasen ist auch ein Val McDermid Krimi, der im Fischer Taschenbuch Verlag schon unter dem Titel Mörderbeat in Manchester erschien. Diese Vorgehensweise der Verlage verwirrt Leser bisweilen. Ärgerlich ist, wenn erst nach dem Kauf auffällt, dass man den Roman schon gelesen oder bereits im Regal stehen hat. Dieser Gefahr habe ich mich nicht ausgesetzt, konnte ich mich an meine bisher gelesenen Val McDermid Romane ganz gut erinnern. Vor allem Die Erfinder des Todes habe ich als ziemlich spannend in Erinnerung.

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