Der Allee Verlag wurde 2024 als unabhängiger Literaturverlag gegründet, um Literaturen aus europäischen Sprachen, die in Deutschland unterrepräsentiert sind, hierzulande eine Stimme zu geben. Eine von zwei Neuerscheinungen des Herbstes 2025 ist der Roman Dein Wille wohnt in den Wäldern des schwedischen Autors Mattias Timander.

Ein junger Mann, der oberhalb eines kleinen Dorfs im nördlichen Schweden lebt, erzählt den Lesern von seiner Suche nach Herkunft und Zugehörigkeit fast als würde man mit ihm am Kaffeetisch oder auf der Bank vor seiner Holzhütte sitzen.
Dabei lässt er seinen Gedanken freien Lauf.
Nach und nach befragt er die älteren Bewohner, die er während seines Tagesablaufs zwischen Einkauf oder Holzmachen trifft, nach der Geschichte des Dorfs. Diese heißen sein Interesse zwar gut, bleiben in ihren Antworten jedoch oft knapp und vage, weichen aus oder schweigen.
Und das Wenige, das er erfährt, wirft nur weitere Fragen auf.
Auch deshalb entdeckt er zunehmend die Literatur für sich. Fast fühlt er sich wie ein Bohemien. Allein, dass er überhaupt liest, lässt ihn für andere schon als ein solcher erscheinen.
Doch seine Bücher sind für ihn vor allem ein Rückzugsort.

Genau wie der Wald wurde das Buch zu einer Zuflucht. In den Wald gehen. Ins Buch.“

Das Lesen hilft jedoch nicht immer gegen den Druck der Natur, die Schwere des Schnees und die dauerhafte Dunkelheit.

Kurzentschlossen zieht er in die weit südlicher gelegene Großstadt, in der eine Freundin aus Schulzeiten wohnt, das Leben pulsiert und die Nacht zum Tag wird. In einem namenlosen Café fühlt er sich „sowas wie geborgen“.
Hier im zweiten Teil des Romans entwickelt sich die Sprache wie auch sein Protagonist. Der Erzählton wird poetischer, urbaner und reflektierter.
Anhand kleiner Gesten enttarnt Mattias Timander ganz beiläufig intellektuelle Inszenierungen städtischen Lebens, während sich sein Ich-Erzähler größtenteils offen zu sich selbst und weiter fragend durch seinen neuen Alltag bewegt.
So trägt er während einer Verlagsveranstaltung ein extra dafür besorgtes braunes Cordjackett, „dass sich literarisch geräumig anfühlte.“

Ja, sein Leben „war schon irgendwie anders in der Stadt. Es war nicht wie zu Hause. Es war im Grunde eine ganz andere Sprache, und so hatte ich plötzlich zwei.“

Ist er in der Stadt bei seiner Suche nach Herkunft und Zugehörigkeit — nach einem Zuhause — fündig geworden? Wird er das überhaupt oder muss erst etwas passieren?

Für den jungen Mann ist die Suche nach der Geschichte des Dorfs immer auch eine Suche nach der eigenen Familiengeschichte und sich selbst.
Und letzten Endes eine Suche nach Menschsein.

Die Schauplätze seines Romans erschließen sich dem Autor Mattias Timander aus der eigenen Biografie. Er wurde 1998 in Kiruna, in Nordschweden geboren und war nach dem Studium der Literaturwissenschaft in Stockholm zwei Jahre Bürgermeister seines Geburtsortes. Heute lebt und arbeitet er als Kulturjournalist und freier Autor wieder in Stockholm.
Auch seine Familie stammt aus Tornedalen, dieser rauen Gegend im Norden des Bottnischen Meerbusens im schwedisch-finnischen Grenzgebiet. Für Timander ist der Roman „eine fiktionale Auseinandersetzung mit der Geschichte seiner verstorbenen Großeltern und ihrer tornedalischen Herkunft“. Dabei berührt er die Geschichte Fennoskandinaviens ebenso wie er aus heutiger Sicht auf die Stockholmer Literaturszene schaut.
Seinen vom nordschwedischen und tornedalischen Dialekt sowie der Minderheitensprache Meänkieli geprägten Originaltext hat Hanna Granz mit feinem Gespür für die Befindlichkeiten der erzählenden Hauptfigur ins Deutsche übertragen.

2024 erhielt der Roman den De-Nios-Jul-Preis und wurde für den Katapult-Preis sowie den Adlibris-Preis für das Debüt des Jahres nominiert. 2025 folgten Nominierungen für den Norrlands-Literaturpreis und den Borås-Tidning-Preis.

 

Mattias Timander: Dein Wille wohnt in den Wäldern, aus dem Schwedischen von Hanna Granz, Allee Verlag 2025
ISBN der Hardcover-Ausgabe
978-3-911524-00-1