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Leben mit Büchern

Geschichte eines Dorfes — Literatur aus Schweden

Der Allee Verlag wurde 2024 als unabhängiger Literaturverlag gegründet, um Literaturen aus europäischen Sprachen, die in Deutschland unterrepräsentiert sind, hierzulande eine Stimme zu geben. Eine von zwei Neuerscheinungen des Herbstes 2025 ist der Roman Dein Wille wohnt in den Wäldern des schwedischen Autors Mattias Timander.

Ein junger Mann, der oberhalb eines kleinen Dorfs im nördlichen Schweden lebt, erzählt den Lesern von seiner Suche nach Herkunft und Zugehörigkeit fast als würde man mit ihm am Kaffeetisch oder auf der Bank vor seiner Holzhütte sitzen.
Dabei lässt er seinen Gedanken freien Lauf.
Nach und nach befragt er die älteren Bewohner, die er während seines Tagesablaufs zwischen Einkauf oder Holzmachen trifft, nach der Geschichte des Dorfs. Diese heißen sein Interesse zwar gut, bleiben in ihren Antworten jedoch oft knapp und vage, weichen aus oder schweigen.
Und das Wenige, das er erfährt, wirft nur weitere Fragen auf.
Auch deshalb entdeckt er zunehmend die Literatur für sich. Fast fühlt er sich wie ein Bohemien. Allein, dass er überhaupt liest, lässt ihn für andere schon als ein solcher erscheinen.
Doch seine Bücher sind für ihn vor allem ein Rückzugsort.

Genau wie der Wald wurde das Buch zu einer Zuflucht. In den Wald gehen. Ins Buch.“

Das Lesen hilft jedoch nicht immer gegen den Druck der Natur, die Schwere des Schnees und die dauerhafte Dunkelheit.

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Der Wirklichkeit gewordene Albtraum

Eines meiner neusten Fundstücke aus einer Bücherkiste am Wegesrand ist der Thriller Cupido der US-amerikanischen Autorin Jilliane Hoffman.
Was für ein alter Hut, werden einige denken, ist dieser Weltbestseller in der Originalausgabe doch aus dem Jahr 2003. Andere werden sich vielleicht daran erinnern, dass sie durch Pressestimmen wie „Dieses Buch ist ein Schocker!“ oder „Vergessen Sie Hannibal Lecter“ damals vom Lesen abgehalten wurden, so wie heutzutage manch einer durch Triggerwarnungen. Eine Warnung mögen potenzielle Leser*innen, die den Roman noch nicht kennen, jedoch beherzigen: Lieber nicht im Internet dazu recherchieren, weil schon die kleinste Information ein wenig die Spannung nimmt. Schließlich gibt es wohl aus gutem Grund auf dem Fundstück nicht mal eine kurze Inhaltsangabe.

An dieser Stelle deshalb nur so viel: Cupido ist für die Protagonistin Chloe Larson der „Wirklichkeit gewordene Albtraum.“

Für mich ist Cupido zum Glück ein von Beginn an packender und bis zum Schluss wendungsreicher Justizthriller, gekonnt verfasst von einer ehemaligen Staatsanwältin.

Jilliane Hoffman: Cupido, Deutsch von Sophie Zeitz
Rowohlt Taschenbuch Verlag
21. Auflage August 2006

ISBN des vorliegenden Fundstücks
978-3-499-23966-3

In Real Life

Kürzlich war ich in Leer unterwegs. In Real Life, also im echten Leben. Nicht in irgendeiner Karten-Maps-Virtual-Reality-Brillen-App. Ich habe mich dort wirklich sehr willkommen gefühlt, sodass ich mir in einer lokalen Buchhandlung die auf dem Beitragsfoto abgebildete Postkarte als Lesezeichen aussuchte. Aber was wäre ein Lesezeichen schon ohne Buch? Zur rechten Zeit am rechten Ort — eben in besagter Buchhandlung — war leicht ein passendes gefunden. Auf Norderney spielten zwar gleich mehrere Krimis, doch auch in Leer schläft das Verbrechen offenbar nicht.

Im Kriminalroman Tödlicher Vierer von Peter Gerdes wird auf einem ostfriesischen Mittelaltermarkt ein Mann ermordet. Da das Opfer in Oldenburg gemeldet ist, bittet die Kripo Leer die Oldenburger Kollegen um Amtshilfe. Bei den Ermittlungen trifft Hauptkommissar Stahnke auf alte Bekannte aus seiner Vergangenheit, allesamt ehemalige Mitstreiter aus dem Titel gebenden Rudervierer. Wie sehr sind sie in diesen Fall von organisierter Kriminalität und Korruption verstrickt? Die Spuren führen bis in die Niederlande und die Gegner sind so mächtig, dass Stahnke suspendiert wird und untertauchen muss.

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Klapper Superstrange

Na sowas. Da sind doch meine analogen Notizen zu Klapper verloren gegangen, wahrscheinlich unerreichbar hinter das Bücherregal gerutscht. Ich habe das Wesentliche natürlich schon noch „auf dem Zettel“. Gelesen habe ich diesen Roman kurz nach seinem Erscheinen, bin dann aber so aus Gründen nicht dazu gekommen, wenigstens ein paar Zeilen über dieses kluge und sehr kurzweilige Buch zu verfassen. Da ich Kurt Prödels Debüt aber gerne auf dem Blog haben wollte, wird es nun doch noch sehr kurz! in Stichworten vorgestellt:

  • glaubhafter Entwicklungsroman, auch Coming-of-Age-Roman genannt

    • mit vordergründig dysfunktionalen Familien, die sich in der Not als gar nicht so dysfunktional erweisen

    •  mit dem dürren Thomas, den manche Mitschüler als superstrange“ empfinden und ihm den Spitznamen Klapper buchstäblich andichten, mit der großen, nach den Sommerferien 2011 neu in die Klasse gekommenen Vivi-Marie, die einfach Bär genannt werden möchte sowie mit Thomas’ Mutter Conny, die Kühe liebt — und noch so einigen anderen sonderbaren und sensiblen Figuren

    • mit unausgesprochener Verliebtheit und ausgesprochen viel Gaming und Musik, vor allem mit KollegahLines, aber auch von Metal-Bands oder Dire Straits und Green Day

    • mit feinem Erzählton und höchst lesenswert

Lieblingszitat:
„— und man brauchte eine Umarmung am meisten, wenn man sie am wenigsten verdiente. Genau jetzt.“

Irgendwie fühle ich mich von dieser Geschichte über Klapper und Bär auch auf eine besondere Weise umarmt …

 

Kurt Prödel: Klapper, Ullstein 2025
ISBN der E-Book-Ausgabe (epub)
978-3-8437-3567-4
ISBN der
Hardcover-Ausgabe
978-3-9881602-4-9

Momo, eine Sternstunde der Literatur

Von den Sternstunden und den Stundenblumen des Lebens erzählt Michael Ende in Momo, einer der vielen unvergesslichen Geschichten des 1995 verstorbenen Schriftstellers.

Momo selbst, ein Kind mit langem Rock und großer Männerjacke, hört vor allem gut zu. Dabei öffnet sie die Herzen ihrer Freunde und verkörpert so das Menschliche schlechthin.
Ihre engsten Freunde sind Beppo Straßenkehrer und Gigi Fremdenführer. Der alte Beppo ist ein ruhiger Charakter, der lange überlegt, ehe er überhaupt redet. Für ihn kommt „alles Unglück der Welt von den vielen Lügen“. Gigi hingegen steckt voller Ideen, er führt Reisende herum und die abenteuerlichsten Geschichten sprudeln nur so aus ihm heraus.
Doch dann legt sich ein großer dunkler Schatten über die ganze Stadt. Die einbrechende Kälte bedroht Momo und all ihre Freunde. Die grauen Herren mit den Zigarren sind Zeit-Diebe und beginnen ihren Eroberungszug.
Mit Hilfe der Schildkröte Kassiopeia findet Momo zu Meister Hora. Gemeinsam wollen sie das Schlimmste verhindern und den Menschen ihre Lebenszeit zurückbringen.

Michael Ende hat mit Momo einen Märchen-Roman geschrieben, aus dem wahrscheinlich jede und jeder etwas für sich mitnehmen kann:

Was die Menschen mit ihrer Zeit machen, darüber müssen sie selbst bestimmen. Sie müssen sie auch selbst verteidigen.“

Und alle Zeit, die nicht mit dem Herzen wahrgenommen wird, ist verloren“.

Die Menschen „wollen lieber denen glauben, die ihnen Angst machen.“

Es gibt Reichtümer, an denen man zugrunde geht, wenn man sie nicht mit anderen teilen kann.“

Denn die wirkliche Zeit ist eben nicht nach der Uhr und dem Kalender zu messen.“

Dies sind nur einige kurze Zitate aus den Seiten 176/177 sowie 237 und 238, aber es gibt noch so viel mehr in dieser Geschichte, über das es sich lohnt, ein wenig nachzudenken …

Momo ist ein wunderbares Vermächtnis an all seine Leser*innen. Möge diesem Roman immer wieder eine Stunden-Blume aufblühen.

Michel Ende: Momo oder Die seltsame Geschichte von den Zeit-Dieben und von dem Kind, das den Menschen die gestohlene Zeit zurückbrachte
Ein Märchen-Roman mit Bildern des Autors

Die sehr schöne Umschlaggestaltung ist von Eva Schöffmann-Davidov.

 

Die Erstausgabe dieses Buches erschien 1973

ISBN der vorliegenden Ausgabe 978-3-522-20275-6

Thienemann in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH, Stuttgart 2021

Fünf Winter

Letzten Sommer lag dieser Krimi im Stapel auf dem Tisch der städtischen Buchhandelskette und manchmal auch allein und frontal präsentiert in lokalen Buchhandlungen zu Hause und am Urlaubsort: Der Thriller Fünf Winter, ausgezeichnet mit dem Edgar Award für den besten Krimi des Jahres, dem Barry Award 2022, dem Deutschen Krimipreis International 2023, als Buch des Jahres Krimi-Couch 2023, mit Empfehlungen auf den Umschlagseiten von Stephen King und Dennis Lehane und vor allem mit einer absolut interessant klingenden Kurzbeschreibung der Story.
Passt, dachte ich, und da die Ferien und Stefans Geburtstag anstanden, griff ich spontan zu.

Honolulu, Ende November 1941. In Europa wütet bereits der Krieg und auch im Pazifik ist die politische Lage mehr als angespannt. Detective Joe McGrady vom Honolulu Police Departement soll den Mord an einem jungen Mann und seiner Freundin, einer Japanerin, aufklären. Die Spur führt nach Hongkong und wohl wissend, wie gefährlich es sein wird, folgt McGrady dem Täter in die britische Kronkolonie. Dort gerät er in eine Falle und wird von der Polizei inhaftiert, während Japan Hongkong einnimmt und Pearl Harbor angreift.
Fünf Winter später will er sein gegebenes Versprechen einlösen und den Mörder zur Rechenschaft ziehen.

Wie ist mein Geburtstagsgeschenk für Stefan nun angekommen?

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Es weihnachtet sehr

Für Frau Helbing und der tote Fagottist erhielt Eberhard Michaely 2022 den Friedrich-Glauser-Preis in der Kategorie „Debüt“ und im inzwischen sechsten Band der Reihe ermittelt Frau Helbing aus Hamburg nun auch zur Weihnachtszeit.

Nicht nur, dass sich ihr Schwager Walter aus Amerika an Heiligabend zu Besuch angekündigt hat, steht die ehemalige Fleischereifachverkäuferin und Rentnerin Franziska Helbing kurz vor den Weihnachtstagen auch noch für Proben auf der Bühne des St. Pauli Theaters. Tratsch im Treppenhaus soll am ersten Weihnachtsfeiertag mit und für Dr. Rheder zum 80. Geburtstag gegeben werden. Doch dann gibt es zwei Tote durch vergiftetes Weihnachtsgebäck und Frau Helbing gerät selbst unter Verdacht. Den muss sie natürlich dringend ausräumen.

Mit von der Partie sind auch dieses Mal Kommissar Borken und Herr Aydin. Der Schneider ist gleichermaßen ruhiger Zuhörer wie Ratgeber und Frau Helbings schönstes Geschenk ist, dass „sie diesen Mann zu ihren Freunden zählen“ darf.
Schließlich obsiegt – bei aller Aufregung – am Ende doch hanseatische Zurückhaltung, eine kleine Prise Humor und das, was Weihnachten letztlich ausmacht.

 

Eberhard Michaely: Frau Helbing und die tödlichen Weihnachtsplätzchen, Der sechste Fall
Oktopus im Kampa Verlag 2024
ISBN der kartonierten Ausgabe
978-3-311-30069-4

ISBN der E-Book-Ausgabe (epub)
978-3-311-70553-6

Rätsel über Rätsel

Weihnachten kommt näher und zur Einstimmung wollte ich mal wieder ein Buch zum Thema lesen, vielleicht auch einen Beitrag darüber verfassen. In der Bücherei war Remember Last Christmas direkt verfügbar und so nahm ich ein Buch aus dem in den sozialen Medien sehr beliebten Subgenre New Adult mit nach Hause.

Ein humorvoller Liebesroman“ mit „Gefühlschaos zur Weihnachtszeit“: Klingt ganz gut, was der Piper Verlag den „Leser:innen“ so ankündigt.
Alexis und ihr „langjähriger Highschool-Crush“ Maron arbeiten in der Vorweihnachtswoche als Elfe und Santa verkleidet in einer New Yorker Mall, um gemeinsam Kinder zu erfreuen. Für Alexis ist dies jedoch alles andere als erfreulich. Das Kostüm ist lächerlich und der ehemalige Schwarm hat auch noch ihren One-Night-Stand aus dem vorigen Jahr vergessen!

Wie kann das sein, fragt sich Alexis zu Recht und auch für mich als Leserin folgen Rätsel über Rätsel.
Warum lässt die Autorin ihre Protagonisten ausgerechnet in New York leben und verzweifelt lieben? Und wer ist diese Emma Goldman überhaupt? Aus dem Buch erfährt man gerade mal, dass sie im Januar 1996 geboren wurde und „Romantik und eine Prise Humor“ sie im Leben begleiten. Selbst ihr Portraitbild auf der Verlagswebsite wirkt ein bisschen wie ein Stockfoto. Handelt es sich hier vielleicht um ein KI-generiertes Buch, das lediglich von der im Copyright genannten Fam Schaper redigiert wurde?

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Einfach machen

Lust, einfach mal eine richtig wohltuende Geschichte zu lesen? Lust, sich beim Lesen einfach mal in gehobene Stimmung versetzen zu lassen?
Ja, dann könnte man einfach mal Karin Kalisas Debütroman Sungs Laden lesen.
(Falls man ihn ohnehin nicht schon gelesen hat, erschien er doch bereits im Jahr 2015, und man erinnert sich bestimmt wieder gerne …)

Das Schreiben vom Schulamt ist vom Februar. Eine Grundschule im Prenzlauer Berg solle „in Sachen Völkerverständigung“ nach vorne gebracht werden. Nun sind die Klassen mitten in den Adventsvorbereitungen, da ruft der Direktor eben noch eine „weltoffene Woche“ aus. Unter dem Motto „Dinge der Welt“ sollen die Kinder zur Abschlussfeier einen Gegenstand aus dem Herkunftsland ihrer Familie mitbringen und vorstellen. Und so kommt es, dass der kleine Minh mit seiner aus Vietnam stammenden Großmutter und einer großen hölzernen Puppe auf der Bühne der Grundschule steht und die Geschichte von den Brückenbauern der Kulturen ihren Lauf nimmt.

Einfach so.

Einfach so öffnet Karin Kalisa mit dieser Geschichte unsere Augen und Herzen für unsere Mitmenschen. Für den Kollegen oder die flüchtige Bekanntschaft, für den Nachbarn oder die Behördenmitarbeiterin, einfach für die Mitmenschen, auf die der Blick oft nicht gerichtet ist.

Ein wenig märchenhaft, aber auch einfach schön.

Karin Kalisa: Sungs Laden, Droemer Taschenbuch 2017

Die Originalausgabe erschien 2015 im Verlag C.H. Beck.

Gutkind – Neuer Verlag mit ausgezeichneter Autorin

Haben sich Büchermenschen im letzten halben Jahr nicht völlig dem Literaturbetrieb entzogen, ist ihnen der Name Gutkind doch sehr wahrscheinlich begegnet.
Dabei handelt es sich um einen neuen Verlag aus der Mediengruppe Bonnier, zu der auch die großen Verlage Piper, Carlsen oder Ullstein gehören. Letzterer hat zudem den Vertrieb der neuen Unternehmenstochter übernommen, was die Aufmerksamkeit des Fachpublikums auf die Verlagsgründung weiter erhöht haben dürfte.
Aber auch bekannte Namen wie Keanu Reeves oder Sabin Tambrea schmücken das erste Programm aus dem Herbst 2024.
Der Name des neuen Verlags geht übrigens auf den 1778 in Dresden geborenen und nach Kopenhagen ausgewanderten Verlagsbuchhändler Gutkind Hirschel zurück. Dessen Sohn Albert Bonnier siedelte nach Schweden um, gründete dort ebenfalls einen Verlag und ist Namensgeber des heutigen Mutterkonzerns.

Mit dem Roman Das letzte Leuchten im Winter findet sich auch ein Buch von der Shortlist des National Book Award 2023 im ersten Programm des neuen Verlags.
Eigene Erfahrungen mit der laestadianischen Glaubensbewegung sowie intensive Recherchen über die Sámi bewogen die US-amerikanische Autorin und Tochter finnischer Eltern Hanna Pylväinen zu dieser Geschichte, die auf wahren Begebenheiten beruht.

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