Ginge es hier um einen Kriminalfall, ich würde wegen persönlicher Befangenheit von den Ermittlungen abgezogen werden. Zugegeben, bei der Generation Golf fehlt mir die journalistische Distanz.
Wie Florian Illies wuchs ich zwar in der grenznahen, – an die Jüngeren – innerdeutschen, hessischen Provinz auf und gehöre qua Geburtsjahr zu seiner Generation Golf. Aber mit diesem Buch, und seiner Inspektion einer erfundenen Generation, fühlte ich mich damals ungerechtfertigt pauschal vereinnahmt.

Schließlich beläuft sich der demographische Generationenabstand auf um die 30 Jahre, also deutlich mehr als der von Illies beschriebenen zwischen 1965 und 1975 Geborenen. Und als soziologische Alterskohorte konnte ich sie auch nicht betrachten, handelt es sich ja in seinem Buch nur um eine Inspektion und nicht um eine gesellschaftswissenschaftliche Analyse.

Nun berichtet die Süddeutsche Zeitung in ihrer Ausgabe vom 30.08.2018 über den neusten Coup des Rowohlt Verlages. Florian Illies, der „Erfinder der Generation Golf“ übernimmt die verlegerische Verantwortung im Hause Rowohlt.
Hat sich Illies vor fast zwei Generationen Golf noch mit materiellen Stereotypen, aber durchaus unterhaltsam und erfolgreich, der Popkultur verschrieben, wendete er sich –sprachlich eleganter – in seinem Buch 1913 einem Jahr kurz vor dem beginnenden Abgrund und seiner kulturellen Avantgarde zu.

In der Inspektion der Generation Golf wie im Sommer des Jahrhunderts (1913) erscheinen die politisch Interessierten und Engagierten (z.B. Arbeiter) nur am Rande. – In der Generation Golf hatten sich diese sogar nur „eine Gesinnung ausgeliehen.“

Gegen diese Zuschreibung wehre ich mich ausdrücklich und wünsche Florian Illies und dem Rowohlt Verlag ein Generationen und Milieus übergreifendes sowie Hoch- und Popkultur verbindendes Programm.

Für den Namen Rowohlt und uns Leser.

Nachtrag: Am 24.01.2020 meldet Börsenblatt.net, dass sich Florian Illies jetzt doch wieder mehr dem Schreiben widmen möchte. Vielleicht veröffentlicht er ja weiterhin im Hause Fischer, das ja wie der Rowohlt Verlag zur Holtzbrick-Gruppe gehört.
Dieses kurze Intermezzo als Verleger, samt der Vorgeschichte um die Kündigung seiner Vorgängerin Barbara Laugwitz, unterstreicht meine Vorbehalte hinsichtlich Florian Illies: alsVerleger, der in einem Jahr kaum eine Programmstruktur entwickeln kann und als Autor seiner Generation Golf, zu der ich weiterhin nicht zugezählt werden möchte.

PS: Einer in der VW-Stadt Wolfsburg aufgewachsenen Studienfreundin des Geburtsjahrgangs 1974, war laut eigener Aussage die von Illies beschriebene Generation Golf allerdings „durchaus vertraut“.

Nun, da steht wohl Aussage gegen Aussage 😉.