Eine Begegnung kann dein ganzes Leben verändern. Im Job, in der Liebe, beim Sport oder beim Einkaufen. Selbst ohne dieses Bewusstsein sind Begegnungen für die meisten Menschen lebenswichtig.

Auch um unterschiedliche Perspektiven von Herkunft und Heimat aufzuspüren, Vorurteile sichtbar zu machen und aufzuzeigen, worin Menschen Heimat finden können, sind Begegnungen von Bedeutung.

Ein Mann der in den letzten Jahren die Begegnung mit Menschen unterschiedlichster Herkunft — auf analogen und digitalen Wegen — gesucht und ermöglicht hat, ist der Sozialaktivist und Autor Ali Can.

Can wurde 1993 in der Türkei geboren. Seine Eltern, die in der Türkei als kurdische Aleviten einer unterdrückten Minderheit angehörten, sind 1995 mit ihm und seinem jüngeren Bruder nach Deutschland geflohen.
Schon als Kind erkannte er, dass die Begegnungen der Menschen aus seinen beiden Welten — der türkischen und der deutschen — gegenseitiges Vertrauen schafften, für ein entspannteres Miteinander sorgten und für Ali Can auch mehr Freiheit bedeuteten. Dies erlebte er im Fußballverein, später beim Theaterspielen im Jugendclub des Gießener Stadttheaters oder beim Helfen im elterlichen Dönerimbiss.
2012 ebnete ein Praktikum bei der Gießener Arbeitsgruppe von UNICEF, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, den Weg für Ali Can zum Sozialaktivisten.
Diesen Weg bestritt er weiter mit im Internet gestarteten und darüber hinaus breite Aufmerksamkeit generierenden Aktionen, wie der Hotline für besorgte Bürger und 2018 mit #MeTwo. Unter diesem Hashtag konnten Menschen mit Migrationshintergrund in den Sozialen Medien ihre Diskriminierungserfahrungen schildern.

„Hinter »Ich zwei« verbirgt sich nicht nur die Kritik an den Umständen, sondern darüber hinaus auch eine ermutigende Botschaft an all jene, die Identität nicht als Einbahnstraße begreifen. Dieser perspektivische, konstruktive Aspekt war mir enorm wichtig! Die Zahl Zwei in dem Hashtag ist eher als Variable gemeint und steht für mehr als eine kulturelle Prägung und Bindung. In diesem Sinne sollte die von mir hier im Buch häufiger verwendete Anspielung auf die Redewendung »zwei Seelen schlagen in der Brust« nicht immer wortwörtlich verstanden werden. Sie steht vielmehr für eine plurale Identität.“ [Mehr als eine Heimat, S. 23]

Zitate aus der Ausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung (Originalausgabe DUDEN Verlag)

In seinem Buch Mehr als eine Heimat berichtet Ali Can von seinen verschiedenen Projekten und entscheidenden Begegnungen in seinem Leben. Dabei lässt er seine Familie sowie andere Betroffene zu Wort kommen und bezieht auch wissenschaftliche Studien mit ein.
Ihm sind die freiheitlichen, pluralistischen Werte unserer Demokratie sehr wichtig, weshalb er auch von einer „Heimat der Werte“ spricht.
Dieses Buch ist „eine Einladung zum Gespräch über all das, was uns verbindet“, und diese Einladung habe ich gerne angenommen.

Denn: Erzählen, Lesen und Zuhören können dabei helfen Vorurteile — auch eigene — überhaupt erst zu erkennen.
Erzählen, Lesen und Zuhören können aufmerksam darauf machen, dass — egal, wo wir herkommen — wir Heimat dort finden können, wo wir uns verstanden oder wohl fühlen. Und gibt es mal Gegenwind oder gar ein Unwetter, fühle ich mich dieser Heimat doch verbunden.

Jede und jeder hat durch eigene Lebenserfahrungen einen unterschiedlichen Horizont über das Verständnis von Herkunft und Heimat, der durch die unterschiedlichste Literatur erweitert werden kann.

Mehr ehrliches Interesse aneinander hilft sich gegenseitig näher kennenzulernen, zu verstehen und in einem besseren Miteinander, gemeinsam die vorhandenen Vorurteile zu überwinden.

Dazu sind Begegnungen mit anderen Menschen wichtig.
Ihnen kann ich auch in der Literatur begegnen, denn Literatur ist so vielfältig wie wir Menschen.

Im ersten Teil ihrer Familiensaga „Heimat ist ein Sehnsuchtsort“ erzählt Hanni Münzer von den Bewohnern eines Dorfes in Schlesien. In Petersdorf treffen wir auf Menschen, die, eingebettet in die Geschichte zweier Weltkriege, Heimat ganz unterschiedlich wahrnehmen.