„Haben Sie schon einmal von der Lewis-Carroll-Bruderschaft gehört?“

Nein? Das ist nicht weiter von Belang, denn auch dem namenlosen Ich-Erzähler, einem argentinischen Mathematikstudenten an der Universität Oxford, ist diese Bruderschaft nicht bekannt, als er 1994 in den Fall Alice im Wunderland gezogen wird.
Zudem handelt es sich bei diesem literarischen Kriminalroman um reine Fiktion, wie der Autor Guillermo Martínez in seinem Nachwort erklärt.
Fein gesponnen hat er diese Geschichte allerdings über die Forschungen nach den verschwundenen Tagebüchern und Tagebuchseiten Lewis Carrolls (1832 – 1898) und dessen Leidenschaft für die seinerzeit neue Kunstform der Fotografie sowie seiner Vorliebe besonders junger Mädchen als Modelle.

1994 studiert der Erzähler im zweiten Jahr bei Professor Arthur Seldom in Oxford. Der Logiker ist selbst Mitglied der Lewis-Carroll-Bruderschaft, die die noch vorhandenen Tagebücher in einer kommentierten Ausgabe veröffentlichen möchte. Seine wissenschaftliche Mitarbeiterin Kristen Hill ist bei der Einsicht der Tagebücher und der dazugehörigen Papiere jedoch auf etwas gestoßen, das für alle in der Bruderschaft „höchst misslich sein könnte.“
Diese Information zieht mehrere Todesfälle nach sich. Seldom und sein Doktorand überlegen zunächst mit mathematischer Logik, ob hier das Muster einer Reihe vorliegt. Doch die finale Lösung gelingt seinem „jungen argentinischen Freund“, der von einigen „der Einfachheit halber nur G.“ genannt wird, letztlich durch Empathie.

Der promovierte Mathematiker Guillermo Martínez verbrachte selbst zwei Jahre an der Oxford University. Dieses Universitätsleben bringt er anschaulich ein und verbindet in Der Fall Alice im Wunderland gekonnt die Wissenschaftsgeschichte um Lewis Carroll mit dem Gerangel der wissenschaftlichen Community um Reputation in Form von Publikationen. Dabei schaut der Argentinier oft verwundert und doch freundlich auf britische Reserviertheit und Distanz.

Well done, G. Martínez.

Guillermo Martínez: Der Fall Alice im Wunderland, Übersetzung aus dem argentinischen Spanisch von Angelica Ammar, Eichborn 2020

Weder besondere Kenntnisse in Mathematik oder Literatur sind erforderlich, noch muss man den ersten Fall um Professor Arthur Seldom und seinen Gehilfen kennen, um an diesem Kriminalroman seine Freude zu haben.
Und als Lektüre für Nicht-Krimi-Leser ist er übrigens auch noch geeignet, wie mir ein solcher, nämlich Herr Heilmann aus der gleichnamigen Buchhandlung in Bamberg, versicherte, wo ich dieses Buch erstanden habe.

Was verbindet uns Kaufunger mit Bamberg?

Kaiserin Kunigunde, Stifterin des Klosters Kaufungen: das Relief an der Südwand der heutigen Stiftskirche ist ein Teilabguss vom Tilman-Riemenschneider-Sarkophag in Bamberg