In seinem Leben ist Wolf Wondratschek dem Literaturbetrieb eher aus dem Weg gegangen. So verkaufte er das Unikat seines Romans Selbstbild mit Ratte an eine Privatperson, die später Initiator des für Wondratschek extra ausgerufenen Alternativen Büchner-Preises wurde.
Für sein neustes Selbstbild mit russischem Klavier betritt er nun die Pfade des etablierten Ullstein-Verlags.
Und mit wunderbar altersweise anmutendem Erzählton reflektiert hier der Schriftsteller mit einem russischen Pianisten über das Leben, – ihr Leben.

Der Pianist Suvorin sitzt in einem Wiener Kaffeehaus am Tisch mit dem berichtenden Schriftsteller und blickt zurück. Aufgewachsen in einem kleinen russischen Dorf erlebte er dort eine Kindheit „im Glück!“. Dass dieses Glück nicht selbstverständlich ist, bezeugt das Ausrufezeichen.

Es war auch nicht selbstverständlich, dass er als Dorfjunge Pianist werden konnte. Aber als Staatskünstler war er diesem mit seiner Kunst verpflichtet, und folglich wurde ihm aller Applaus zunehmend zuwider.
Wo auch immer er auf der Welt Konzerte gab, Heimat und Inspiration fand er bei seiner Frau, seiner großen Liebe. Nun ist sie gestorben. Tot auch seine Weggefährten.

Selbstbild mit russischem Klavier ist die Geschichte eines Zurückgelassenen, der sich fragt: Was bleibt?
Von einem selbst, seinen Träumen, der Kunst und ihrer Schönheit.
Und der Schriftsteller hört zu – wichtig im Leben wie in der Musik.
Indem er darüber erzählt, erweist er unangepassten Künstlern, Müttern und Liebenden die Ehre.

Dieses Buch muss ich auf vitaLibris vorstellen. Es ist ein Buch, für das man sich Zeit nehmen sollte. Warum sagt Suvorin selbst:

„[…] es ist das Lesen […] eines Romans ja kein gesellschaftliches Ereignis. Da sitzt einer da, nur er, allein mit sich und einem Buch, und liest. Und manchmal, nicht wahr, hält er inne, legt es aufgeschlagen zur Seite, um über einen Satz nachzusinnen, eine bestimmte Stelle, eine besondere Formulierung, eine, die ihm die Schönheit der Sprache offenbart. Alles kann alles mit allem in Verbindung bringen. […] Er hat Zeit.“ Für „die Schönheit […] eines gut gebundenen, auf schönem Papier in schönen Lettern gesetzten Buches.“

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Wolf Wondratschek: Selbstbild mit russischem Klavier, Ullstein 2018,  

ISBN für die gebundene Ausgabe 978-3-550-05070-1 

für die ePub-Ausgabe 978-3-8437-1858-5