Leben mit Büchern

Schlagwort: Kiepenheuer & Witsch

Summer of ‘40 – Sommer 1940

„Bekanntmachung an der Anschlagtafel des Gemeindesaals von Chilbury

Sonntag, 24. März 1940

Da unsere männlichen Stimmen im Krieg sind, wird der Kirchenchor nach der Trauerfeier für Commander Edmund Winthorp nächsten Dienstag aufgelöst.

                                                                                   gez. Der Vikar “

 

Auf dieser Trauerfeier für den jungen Edmund Winthorp gaben die dem Kirchenchor verbliebenen Frauenstimmen „ihren Schwanengesang“, wie Mrs Tilling in ihrem Tagebuch schreibt.
Tagebuch schreiben — dazu regte ein Aufruf im Rundfunk an. Das Schreiben könne helfen, Verluste des Krieges besser zu verarbeiten. Auch die 13-jährige Kitty teilt ihre Gedanken ihrem Tagebuch mit.
Aus Briefen und Tagebucheinträgen anderer Chormitglieder und Dorfbewohner erfahren wir Leser, wie die Frauen mit Unterstützung der Musikprofessorin Prim einen in jeder Hinsicht starken Chor gründen.

Jennifer Ryan trifft in ihrem Roman Der Frauenchor von Chilbury gekonnt den Ton der Zeit zu Beginn des Zweiten Weltkrieges an der englischen Ostküste. Glaubhafte Charaktere erzählen uns von der Kraft, ja, von der geradezu heilenden Wirkung der Musik.
Das Singen hilft den Frauen, ihr Leben immer wieder neu anzugehen, trotz Schwarzmarkt, Spionage und der Luftangriffe der Deutschen mit verheerenden Folgen auch für den Chor.
Vor allem Mrs Tillings Verwandlung macht Freude. Ich werde sie ein wenig vermissen.

Eine gleichermaßen unterhaltsame wie tröstliche Geschichte — auch wenn man weiß, dass der Sommer 1940 erst der Anfang des Kriegsdramas war.

Jennifer Ryan (nach Erzählungen ihrer Großmutter), aus dem Englischen von Andrea O‘Brien: Der Frauenchor von Chilbury, Kiepenheuer & Witsch 2019,
ISBN der kartonierten Ausgabe 978-3-462-05287-9

Details sind wichtig

Es begann mit dem Film Sommerfest, nach einem Roman von Frank Goosen. Beim fröhlichen Literaturschauen erinnerte ich mich, zwei gute Besprechungen von Goosens neuem Roman Kein Wunder in Printmedien gelesen zu haben.
In ebenso guter Erinnerung habe ich seinen Debütroman Liegen lernen, der im Jahre 2000 im Eichborn Verlag erschien.
Nun fügte es sich auch noch, als ich eigentlich nur Bücher zurückgeben wollte, dass im Regal der Neuanschaffungen unserer Gemeindebücherei Kein Wunder frontal präsentiert wurde. So kam ich nicht umhin es auszuleihen und freute mich sehr aufs Lesen. Denn: Liebesgeschichten erzählen, das kann Goosen. Und zwar unsentimental, humorvoll und frei von jeglichem Kitsch, mitten aus dem Ruhrpott-Leben.
Ist ihm dies mit Kein Wunder auch über politische Systemgrenzen hinweg gelungen?

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