Auf der Suche nach einer Gegend oder Stadt im Harz, wo Natur und Kultur zusammenkommen, bot sich aufgrund guter Erfahrungen bei Planungen anderer Urlaube, der Blick in den Reiseführer aus dem Michael Müller Verlag an.
Die Autoren Barbara Reiter und Michael Wistuba, in Österreich beheimatet, bewegen sich abseits der überlaufenen Touristenwege, benennen diese mit klaren Worten und führen schon den Leser auf tolle Wanderungen.

Nach dem literarischen Bereisen des gesamten Harzes ist die Wahl auf Wernigerode, die nach eigenem Bekunden Bunte Stadt im Harz, gefallen.

„Die schöne Lage an den steil abfallenden Harzbergen, das Märchenschloss über der Stadt, bunte Fachwerkhäuser, ein prächtiges Rathaus, hübsche Hotels und die Schmalspurbahnen – die „Bunte Stadt am Harz“ ist ein Magnet für Touristen aus aller Welt.“

Untergekommen im schönen und durch das Bier und seine Brauerei bekannt gewordenen Hasserode, kann der Harz-Reisende mit Bezahlen der Kurtaxe die Busse in die Altstadt benutzen und das Auto stehen lassen. Zudem startet die Wanderung 8: Durch die Steinerne Renne zum Ottofelsen, in dem ab Seite 252 angehangenen Kleinen Wanderführer, direkt ab Hasserode.
Und diese Wanderung begeistert sogar am Smartphone klebende männliche Teenager. Hier ist die Holtemme (ein Zufluss der Bode) mit kleinen Wasserfällen und riesigen Granitblöcken durchzogen, deshalb trägt sie auf über 2 km den Namen „Steinerne Renne“.
Vom nahen Ottofelsen haben die Wanderer einen herrlichen Ausblick zum Brocken und in anderer Richtung auf das Schloss Wernigerode.
Das Ziel ist der Bahnhof Drei Annen Hohne. Auf der Rückfahrt mit der Harzer Schmalspurbahn kann man noch einmal stolz auf den gewanderten Weg zurückblicken und die Füße schonen.

Schiefes Haus steht an der Vorderseite eines stark geneigten Fachwerkhauses. Dies ist laut den Autoren des Harz-Reiseführers ebenfalls ein sehenswertes Ziel in der Altstadt Wernigerodes. Es handelt sich um eine ehemalige Walkmühle, deren Funktion und Geschichte im Untergeschoss erzählt wird. In der oberen Etage werden Kunstausstellungen gezeigt.

In einem kleinen Raum dieser Ausstellungen sind wir auf Paul Renner gestoßen. Genauer gesagt, in einer Video-Installation und anderen Bild- und Plakatdarstellungen auf seine große Schöpfung – die Schriftart Futura.

Wir kennen sie alle. Von Ikea über Uhu bis zu Volkswagen, diese Marken benutzten diese serifenlose Schrift. Hollywood sowie der Plakatkünstler Klaus Staeck griffen zur Futura und sie war die erste Schrift im Weltall. Bei der ersten Mondlandung hinterlegten die Astronauten eine Plakette, deren eingravierter Text in Futura gesetzt war.
Wer aber kennt Paul Renner? Selbst in seiner Geburtsstadt Wernigerode war er lange Zeit vergessen. Anlässlich seines 125. Geburtstags 2003 gab das Harzmuseum Wernigerode eine Festschrift über Leben und Werk Paul Renners heraus.

Und dank dieses kleinen und sehr feinen Buches durfte ich einen Menschen kennenlernen, der auch einen großen Teil seines Lebens den Büchern gewidmet hat.

Nachdem Paul Renner Malerei studiert hatte, davon aber nicht seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte, wurde er 1907 Buchgestalter beim Münchner Georg Müller Verlag. Dabei befasste sich Renner intensiv mit der künstlerischen Seite der Buchausstattung und damit auch der Typografie. Es folgten theoretische Arbeiten und 1911 wurde er Mitbegründer der „Münchener Schule für Illustration und Buchgewerbe“, die Buchdrucker und Buchgestalter ausbildete.
Um sich wieder mehr der Malerei in der Natur widmen zu können, zog er 1919 an den Bodensee. Aufgrund der zunehmenden Geldentwertung wurde er ab 1922 wieder als Buchgestalter bei der Deutschen Verlagsanstalt Stuttgart tätig.
Die künstlerische Buchgestaltung in Theorie und Praxis begleitete von nun an seinen Lebensweg.
Er entwickelte die Schriftart Futura, deren begeisterter Anhänger auch der Dadaist Kurt Schwitters war, der sie als „konstruktiv und bestimmt im Ausdruck, klar, exakte Formen, gleichmäßiger Lauf, schmucklos, elegant, rassig, klassisch rein, [und] edel“ beschrieb.
Paul Renner verfasste das Buch über die Typographie als Kunst und mit dem aufkommenden Nationalsozialismus kulturpolitische (Gegen)Schriften wie Kulturbolschewismus?.
Nach dem Krieg erschienen 1947 Diktatur oder Demokratie in der öffentlichen Kunstpflege und Das Moderne Buch.
Dies sind nur wenige Beispiele aus seinem Wirken. Die Festschrift Paul Renner enthält unter anderem Aufsätze über seine Biografie, die seines Vaters, die Futura: Biographie einer Schrift, über die Bauersche Gießerei, welche die Futura herausgab sowie Bildtafeln mit Familienfotos und einigen seiner Kunstwerke. Auch ein Brief Thomas Manns an den Verfasser der Kampfschrift Kulturbolschewismus? ist enthalten.

Ein Leben mit Büchern – aus dem Harz bis in die Welt und ins Universum.

Barbara Reiter, Michael Wistuba: Harz, Michael Müller Verlag – individuell reisen, 2. Auflage 2015, ISBN 978-3-89953-853-3

und

Harzmuseum der Stadt Wernigerode (Hg.), Gerd Ilte u.A.: Paul Renner, 9. August 1878 – 25. April 1956, Dem Schöpfer der Futura zum 125. Geburtstag, Harzmuseum der Stadt Wernigerode 2003

Selbstverständlich in der Schriftart Futura N D medium & book der Neufville Digital.

Direkt im Harzmuseum Wernigerode erhältlich oder antiquarisch.

Antiquariate (Buchhandlungen) in der Nähe finden:

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