An einem trüben Herbsttag, „dessen Datum die Zeitung mit zweiter November angibt“, lässt sich der Ingenieur Marcus Conway von seinen Gedanken treiben.
Er steht in seinem Haus in der Grafschaft Mayo an der Westküste Irlands, seine Frau Mairead hat die lokale und die überregionale Zeitung auf dem Küchentisch bereitgelegt.
Wie immer hört er die mittäglichen Radionachrichten, nimmt auch beim Zeitunglesen teil am Weltgeschehen und „so verliere ich mich, wieder einmal in Erinnerungen“. Marcus Conway erzählt von seinem Elternhaus, von der ihn verstörenden, aber sehr erfolgreichen Kunstausstellung seiner Tochter, deren und seinem Verhältnis zu seinem Sohn Darragh oder seiner Rolle als Ingenieur im Bauamt der Grafschaft.
Mitte März erreichte ihn die Nachricht von Virusinfektionen und Vergiftungen:  „eine ganze Stadt, die sich die Seele aus dem Leib kotzte, Stoff für eine B-Movie-Apokalypse“. Auch Mairead erwischte es.

Ein ungewöhnlicher Roman über einen gewöhnlichen Mann beschreibt den Gedankenfluss des Marcus Conway über den Zustand der Welt, seinem Anteil daran und seinen Platz darin. Er erzählt von der Geschichte Irlands sowie von Schuld und Verantwortung im Privaten, wie auch im Beruf. Conway empfindet sich in seinem Leben wiederholt zwischen den Stühlen sitzend. Zwischen seinen Gefühlen zu Tochter und Sohn, Vater und Schwester, Glauben und Ingenieurstechnik und als Bauingenieur zwischen den Interessen der Bauwirtschaft und der Politik.
Bei Marcus‘ Assoziationen kommt Mike McCormack jedoch nie unbedacht vom Hölzchen aufs Stöckchen. Wenn Marcus etwa von einem Dokumentarfilm über einen Nomadenstamm in der Mongolei berichtet, den Mairead kürzlich gesehen hatte, geht es eigentlich um eine Welt im Gleichgewicht und was es dazu braucht. Kein Gedanke wird an Belangloses verschwendet.

Mike McCormack erweist sich als sehr genauer Beobachter und empathischer Erzähler, und dabei entwickelt sich der Fluss der Erinnerungen zu einem die Leserin mitreißenden Strom.
Es sind die Geschichten gewöhnlicher Menschen, die es absolut wert sind, erzählt zu werden. Damit macht Mike McCormack sie zu besonderen Geschichten besonderer Menschen.

Ein ungewöhnlicher Roman über einen gewöhnlichen Mann wurde in Irland mit dem Goldsmiths Prize und dem Irish Book Award sowie dem International Dublin Literary Award geehrt.

Dafür, dass dieser außergewöhnliche Erzählstil, ohne Punkt und Satzende, sich im Deutschen so hervorragend lesen lässt, zeichnen der mehrfach ausgezeichnete Übersetzer Bernhard Robben, der u.a. John Steinbeck oder Ian McEwan ins Deutsche überträgt, und das Lektorat von Claudia Glenewinkel verantwortlich.

Die Gesamtherstellung kommt aus dem Hause Steidl. Gute Papierqualität — die nicht gleich durch den kleinsten Fehlgriff beim Umblättern die Seite einreißen lässt — ist in einen hochwertigen Leineneinband gefasst und das rote Lesebändchen zeigt, wo man auch mitten im Satz weiterlesen kann.
Und bei diesem ungewöhnlichen Roman auch irgendwie muss.

Mike McCormack, aus dem Englischen von Bernhard Robben: Ein ungewöhnlicher Roman über einen gewöhnlichen Mann, Steidl 2019,
ISBN der Leinenausgabe 978-3-95829-647-3