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Leben mit Büchern

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„Der ehemalige Sohn“ — Realität zwischen Absurdität, Tristesse und Tragik

Ist es tatsächlich wieder so still geworden in Minsk, wie es die Abendnachrichten erscheinen lassen? Ist diese Stadt tatsächlich wieder ins Koma geschlagen und getreten worden wie Der ehemalige Sohn in Sasha Filipenkos gleichnamigen Roman?

Filipenko erzählt von Franzisk, einem Fußball liebenden Cellospieler auf dem Musik-Lyzeum in Minsk, der bei einer Massenpanik im Vorfeld eines Rockkonzerts in einer U-Bahn-Unterführung zwar knapp mit dem Leben davonkommt, danach jedoch viele Jahre im Koma liegt. Nachdem der ihn behandelnde Arzt diesen Zustand nicht Leben nennen will und ihn als bloßes „Gemüse“ bezeichnet, ja, ihn eigentlich für tot erklärt, wendet sich sogar die Mutter ab. Allein seine Großmutter versucht alles, damit ihr geliebter Enkelsohn aufwacht.

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„Hoffnung auf Zukunft“

Zwischen dem Erscheinen der ersten beiden Bände der autobiografisch gefärbten „Hilla-Palm-Saga“, Das verborgene Wort (2001) und Aufbruch (2009), lagen lange acht Jahre. Auf den dritten Teil, Spiel der Zeit, musste sich die Leserschaft dann noch bis 2014 gedulden. Es sind jeweils sehr umfangreiche Romane, in denen die Autorin Ulla Hahn den Lebensweg der Hilla Palm, einem „Kenk vun nem Prolete“ aus einem niederrheinischen Dorf — und ausgestattet mit einer großen Liebe zu den Wörtern — an die höhere Schule und zur Universität in Köln erzählt.

Werk mit Autorin

Begleitet die Leserin, wie hier auf vitaLibris schon beschrieben, in den ersten beiden Bänden die Ich-Erzählerin Hilla immer sehr unmittelbar, erlebt und fühlt direkt mit, beginnt dann auch das Spiel der Zeit mit dem Leitmotiv LOMMER JONN.

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Frau Helbing aus Hamburg

Beim Lesen der Ankündigung des Kampa Verlags zum Kriminalroman Frau Helbing und der tote Fagottist dachte ich gleich: Das könnte doch ein passendes Geburtstagsgeschenk — überreicht mit einem Augenzwinkern — für Gudrun sein.

Gudrun kenne ich schon seit über 30 Jahren. Wie Frau Helbing ist sie Fleischereifachverkäuferin in Rente und liest auch gerne Kriminalromane.
Damit hören die Gemeinsamkeiten allerdings schon auf. Da Gudrun nicht im eigenen Betrieb eingebunden war, hatte sie auch schon, als sie noch berufstätig war, Zeit Kulturveranstaltungen zu besuchen. Und, obwohl etwas jünger, besitzt sie noch nicht einmal so ein modernes Smartphone wie Frau Helbing. Dieses liegt bei Frau Helbing aber auch nur originalverpackt in der Schublade. Womöglich hätte sie es in ihrem ersten Fall gut gebrauchen können …

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Weites Land, wertvolle Bibliotheken

Ganz ehrlich? Ein Buch mit dem Titel Die Bücherfrauen lasse ich eher links liegen. Dann fragte ich mich aber, ob denn das Netzwerk Bücherfrauen mit dem Roman zu tun hat und schaute mir erst einmal die Kurzbeschreibung sowie den Originaltitel an. Beides klang dann doch interessanter als der deutsche Titel.

In der amerikanischen Originalausgabe erschien das Debüt von Romalyn Tilghman unter dem Titel „To The Stars Through Difficulties“. Dies ist das Motto des US-Bundesstaates Kansas und gilt gewissermaßen auch für die Charaktere des Romans, die in der dortigen Kleinstadt New Hope aufeinandertreffen.

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Mundwinkel hoch mit Valerio

Dieser Pandemie können wir uns nicht entziehen und sie ist für uns alle eine anstrengende, entbehrungsreiche und unsichere Zeit.
Die Zeit, die wir in Um- und Neu-Organisation des Lebens investieren, fehlt dem Freundeskreis, um sich über Gelesenes auszutauschen oder gar hier auf vitaLibris darüber zu schreiben.
Zum Glück findet sich aber immer noch Zeit zu lesen, wie zum Beispiel den anregenden Artikel von Tobias Lehmkuhl über die Verleihung des Georg-Büchner-Preises an die Dichterin Elke Erb, vom zweiten November 2020, in der Süddeutschen Zeitung.
Am Ende bezieht er sich auf Erbs Dankesrede, in der sie den „Sprachtanz Büchners“ erwähnte und ausschließlich aus seinem Lustspiel Leonce und Lena rezitierte.
Und so ermunterte der Beitrag, (nochmal) zum Lustspiel zu greifen, kann man Aufheiterung momentan doch dringend brauchen.

Ach, da traf ich sie wieder: den Prinzen Leonce vom Reiche Popo, Prinzessin Lena vom Reiche Pipi und meinen speziellen Freund Valerio, an dessen Wortwitz ich geradezu einen Narren gefressen habe.

Mit meist feiner Ironie und manch satirischer Schärfe entzaubert Georg Büchner den romantisierten Sehnsuchtsort Italien und hält den Herrschenden den Spiegel vor die Nase.

Eine wahrlich gelungene Aufheiterung in außergewöhnlichen Zeiten.

Leonce und Lena war das letzte Stück, das Büchner vor seinem Tod am 19. Februar 1837 vollenden konnte. Er starb nur dreiundzwanzigjährig in Zürich an den Folgen einer Typhuserkrankung, „Woyzeck ist Fragment geblieben“. [1]

In der heutigen Form eines allgemeinen Literaturpreises wird der Georg-Büchner-Preis seit 1951 vergeben und gilt als der bedeutendste für Schriftsteller*innen, „die in deutscher Sprache schreiben“. [2]

Für gewöhnlich lasse ich mich nicht von Preisen und Auszeichnungen beeindrucken — diese Leseerfahrung ließ mich allerdings interessiert wieder- und weiterlesen.

Auf dem Wunschzettel stehen jetzt auch Gedichte und Texte von Elke Erb.

 

 

[1] Hamburger Lesehefte, 148. Heft, S. 58

[2] https://www.deutscheakademie.de/de/auszeichnungen/georg-buechner-preis

Ein Argentinier in Oxford

„Haben Sie schon einmal von der Lewis-Carroll-Bruderschaft gehört?“

Nein? Das ist nicht weiter von Belang, denn auch dem namenlosen Ich-Erzähler, einem argentinischen Mathematikstudenten an der Universität Oxford, ist diese Bruderschaft nicht bekannt, als er 1994 in den Fall Alice im Wunderland gezogen wird.
Zudem handelt es sich bei diesem literarischen Kriminalroman um reine Fiktion, wie der Autor Guillermo Martínez in seinem Nachwort erklärt.
Fein gesponnen hat er diese Geschichte allerdings über die Forschungen nach den verschwundenen Tagebüchern und Tagebuchseiten Lewis Carrolls (1832 – 1898) und dessen Leidenschaft für die seinerzeit neue Kunstform der Fotografie sowie seiner Vorliebe besonders junger Mädchen als Modelle.

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Begegnungen

Eine Begegnung kann dein ganzes Leben verändern. Im Job, in der Liebe, beim Sport oder beim Einkaufen. Selbst ohne dieses Bewusstsein sind Begegnungen für die meisten Menschen lebenswichtig.

Auch um unterschiedliche Perspektiven von Herkunft und Heimat aufzuspüren, Vorurteile sichtbar zu machen und aufzuzeigen, worin Menschen Heimat finden können, sind Begegnungen von Bedeutung.

Ein Mann der in den letzten Jahren die Begegnung mit Menschen unterschiedlichster Herkunft — auf analogen und digitalen Wegen — gesucht und ermöglicht hat, ist der Sozialaktivist und Autor Ali Can.

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#Klassikerlesen mit Tilman Spreckelsens historischen Kriminalromanen

Zugegeben, Klassiker der Literatur finden sich auf dieser Website eher selten, und die Leser*innen meinen gar auf einem Krimiblog gelandet zu sein. Ganz so ist es wahrlich nicht. Aufmerksame Leser finden Erwähnungen von Theodor Fontane, Jane Eyre oder Hinweise auf andere Klassiker der englischen Literatur. Und selbstverständlich haben wir Klassiker wie Theodor Storms Schimmelreiter auch gerne selbst gelesen!

Eng verbunden mit Storms Biografie ist die nordfriesische Stadt Husum, was man wahrscheinlich in jedem Reiseführer über die Nordseeküste Schleswig-Holsteins nachlesen kann, auf jeden Fall in den oben abgebildeten.

Und ja, möglicherweise gehört der Kriminalroman tatsächlich zu einem auf vitaLibris leicht bevorzugten Genre. Jedenfalls habe ich mich Storm zuletzt über die historischen Romane von Tilman Spreckelsen genähert, habe sozusagen #Klassikerlesen lassen. Im Juni 2020 erschien Die Nordseefalle als vierter Band seiner Theodor-Storm-Krimis.

Kapitelüberschriften gibt es nicht, sie sind schlicht nummeriert. Stattdessen leitet der Autor die einzelnen Kapitel mit passenden Zitaten aus Storms Novellen ein. Das erste Zitat stammt aus „Draußen im Heidedorf“, die Storm 1872 veröffentlichen konnte.

In Die Nordseefalle schreiben wir jedoch das Jahr 1844 während Theodor Storm versucht seinen Lebensunterhalt durch die Tätigkeit als Advokat in Husum zu bestreiten.

„Am Sonntagmorgen hatte man den Tagelöhner Hinrich Dahl aus Schobüll in der Heide gefunden, wo er einen beträchtlichen Rausch ausschlief — auf einem Toten. Wie es dazu gekommen war, konnte er nicht sagen. Am Montag hatte sich der junge Anwalt Theodor Storm dazu bereit erklärt, Dahl zu vertreten. Weil er für die Befragung seinen Schreiber brauchte, folgte ich ihm an diesem schönen Spätsommertag zum Husumer Schloss. Im linken Seitenflügel waren Gefängniszellen untergebracht, und ich gab der ganzen Sache damals zwei Stunden: …“

Natürlich klärt sich nichts in zwei Stunden, nicht einmal innerhalb zweier Tage.

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HERKUNFT — Heimat — Horizonte

Die Literaturszene ist vielfältig — vom Global Player bis zum Selbstverlag einzelner Autoren, von der Buchhandelskette bis zum Inhaber geführten Buchladen.
Vom bekannten Literaturkritiker über leidenschaftliche Lokalredakteure bis zum Hobby-Buchblogger und natürlich den unterschiedlichsten Lesern.

Dazu bereichern lokale Lesekreise oder Kulturvereine die Literaturszene.
Um diese zu unterstützen initiierte das Literarischen Colloquium Berlin das Projekt Seitab liegt die Stadt — für das Jahr 2020 mit dem Thema Herkunft —, an dem sich die Begegnungsstätte Kaufungen beteiligt.

Eine konkrete, geografische wie sozio-kulturelle Herkunft haben wir alle, und in Deutschland hat inzwischen „jeder Vierte eine familiäre Einwanderungsgeschichte“[1].

Manche fühlen sich auf ihre Herkunft reduziert, andere schämen sich ihrer oder verleugnen sie sogar. Wieder andere ziehen Kraft aus den Lebenserfahrungen, die sie durch ihre Herkunft machen durften oder gehen zumindest selbstbewusst mit der eigenen Herkunft um.

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